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Hans Oppliger (64 Jahre, Dipl.- Ing. agr. ETH) liegt die Biodiversität am Herzen. Immer wieder staunt er über die Vielfalt an Möglichkeiten, welche die Schöpfung bietet. Wie denkt der St. Galler Agronom über Gentechnologie und weshalb blickt er zuversichtlich in die Zukunft?
«Was wir selbst produzieren, muss nicht importiert werden. Damit bleibt der Bevölkerung anderer Länder genug Ackerboden, um sich zu ernähren», fasst Hans Oppliger Arbeit und Antrieb zusammen. Mit seiner Familie verbrachte er etliche Jahre im Hochland von Bolivien und Pakistan. Damals unterstützte er gemeinsam mit seiner Frau Barbara die Bevölkerung dabei, eigene Ressourcen zu erkennen und zu nutzen. Er bereiste zahlreiche Länder mit dem Rucksack und kam nah mit den Menschen in Kontakt. In Chile plant er, einen Modellbetrieb für ökologische Forst- und Landwirtschaft aufzubauen. Gerne möchte er dort später einmal mit Einheimischen oder Interessierten zusammenleben und -arbeiten, Wissen und Erfahrungen austauschen, wie Wasser und Boden nachhaltig genutzt werden können. Der engagierte Familienvater hat noch viele Ideen, wie er seine Lebens- und Berufserfahrung sinnvoll zusammenführen und gestalten kann. Jesus.chPrint traf ihn auf dem Feld zum Interview.
Herr Oppliger, Sie sind begeisterter Agronom. Was motiviert Sie, sich in dieser Branche zu engagieren?
Mein Grundsatz lautet, schonend mit der Schöpfung umzugehen und nur so viel für uns zu nutzen, wie wir benötigen. Es sind genug Ressourcen für alle vorhanden. Aber wir im Westen sind zu raffgierig. Wir sollten bescheidener werden und mehr teilen
Die Wasser- und Pestizidinitiativen wurden letzten Sommer abgelehnt. – Sind Sie enttäuscht darüber?
Nein, es ist gut, dass man dieses Schwarz-Weiss-Schema nicht einfach so übernommen hat. Die Resultate zeigen, dass viele der Abstimmenden nur wenig über die Hintergründe der Nahrungsproduktion wissen. Die These: «Bio = umweltschonend und gut – konventionell angebaute Produkte = pestizid- oder herbizidverseucht» stimmt so nicht. Ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln lässt sich lediglich ein sehr kleiner Ertrag erwirtschaften.
Alle Produzenten grösserer Mengen müssen sie einsetzen, ob sie biologisch produzieren oder nicht. Die Frage ist, welche Produkte verwendet werden und wie viel davon. Es gibt sehr schonende synthetische Mittel und daneben ökologische wie Kupfer, das jahrelang im Boden bleibt, im Biolandbau jedoch verwendet werden darf.
Weshalb wissen die Leute das nicht?
Die Masse ist träge. Wenn etwas kompliziert scheint, lehnt sie es ab, statt sich genau zu informieren. Lange war Bintje die beliebteste Kartoffelsorte, dabei ist sie ökologisch die problematischste. Und die begehrten Gala-Äpfel müssen während der Saison 25× gespritzt werden, also zweimal pro Woche! Es gibt so viele andere Sorten, die man probieren könnte!
Was wäre anders, würden wir Obst und Gemüse so akzeptieren würden, wie die Natur sie hervorbringt?
Wir hätten zähe, etwas bittere Salate. Die Schalen der Äpfel wären dick, vielleicht leicht pelzig oder von einer dünnen Wachsschicht überzogen. Feine Oberflächen, wie die Konsumenten es verlangen, sind jedoch nicht widerstandsfähig. Sie werden schneller von Pilzen befallen als raue. Die Natur setzt auf Widerstandskraft und Vermehrung mit Mass. Die Konsumenten verlangen aber butterzarte Salate und saftige Äpfel mit einer feinen Schale. Und alles soll jederzeit verfügbar sein. Wir versuchen daher, die besten Komponenten verschiedener Sorten zu kombinieren, um Gemüse und Obst gegen Schädlinge resistent zu machen. Bei üppigem Wachstum vermehren sich auch die Schädlinge. So wehrt sich die Natur gegen die Eingriffe des Menschen.
Sie bieten neben ihren landwirtschaftlichen Projekten auch Beratung an. Für wen genau?
Unser Ziel ist, in jeder Art der Lebensmittelproduktion besser zu werden. Wir klären daher sowohl IP- wie auch Bio-Bauern auf und schulen angehende Landwirte, Angestellte in Gesundheits- oder pädagogischen Berufen sowie Studierende der Hotelfachschule Luzern.
Können Mensch und Natur auch friedlich zusammenarbeiten?
Sicher, das streben wir am Landwirtschaftlichen Zentrum in Salez und in meiner Firma RhyTOP an. Wir versuchen, die besten genetischen Komponenten verschiedener Sorten so zu vereinen, dass fein schmeckende und wenig krankheitsanfällige Produkte erzielt werden können. Die Schweiz braucht auf dem begrenzten Land, das für den Anbau zur Verfügung steht, den gezielten Einsatz von Technologie. Auch daran forschen wir.
Bitte nennen Sie ein Beispiel!
Wir haben beim landwirtschaftlichen Zentrum 380 verschiedene Kartoffelsorten gepflanzt. Sie wachsen alle auf dem gleichen Feld und wir sehen, welche Sorten rasch faulen oder gut gedeihen und nahrhafte Kartoffeln hervorbringen. Die fünf besten Eigenschaften der resistenten Sorten werden dann genetisch miteinander verbunden. Wir testen auch Maschinen, die Unkraut von Nutzpflanzen unterscheiden können. Das eine wird weggehackt, das andere stehen gelassen.
Manche Konsumenten meinen, alte Sorten seien generell resistenter als neue. Wäre das die Lösung, die vergessenen Reben- oder Apfelsorten wieder anzupflanzen?
So einfach ist das nicht. Es gibt einzelne Gene in alten Sorten, die resistenter sind als in neuen. Diese genetische Vielfalt wollen wir erhalten und nutzen. Wir haben Sortensammlungen im Rebberg wie auch entlang des Nusswegs in Frümsen angepflanzt, um die alten Sorten nicht aussterben zu lassen. In der ganzen Schweiz haben wir Pflanzen zusammengesucht und hier im Werdenberg kultiviert. So können wir sie untersuchen, die nützlichen Gene isolieren und für weitere Züchtungen verwenden. Beide Anlagen sind öffentlich zugänglich und bieten Informationen über spezielle Eigenschaften verschiedener Nussbäume oder Reben.
Wie stehen Sie zur Gentechnologie?
Man sollte Neuerungen nicht grundsätzlich ablehnen. Der Kanton St. Gallen hat als einziger empfohlen, das Gentech-Moratorium nicht unverändert zu verlängern. Dieses verhindert, dass differenziert mit dem Thema umgegangen wird. Man sollte erforschen dürfen, mit welchen Züchtungsmethoden welche Gene erhalten bleiben.
Als EVP-Mitglied sind sie auch politisch aktiv. Was schätzen Sie am Schweizer System?
Zwischen den Sessionen vergehen jeweils drei Monate. Das ist gut, um die Themen nochmals zu überdenken.
Man muss miteinander im Gespräch bleiben und sein Umfeld für die wichtigen Themen sensibilisieren, z. B. Werte des christlichen Glaubens wie Ehrlichkeit, genaues Zuhören und Geduld bieten da eine gute Grundlage.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?
Ich bin zuversichtlich! Es gibt noch so viele Möglichkeiten. Die jungen Leute sind innovativ, arbeiten mit moderner Technologie, die eintönige Arbeit ersetzt. So kommt man viel schneller vorwärts und erreicht höhere Erträge. Mit RhyTOP stellen wir Versuche an, wie man in unserer Region Erbsen, Bohnen und Ackerbohnen in bester Qualität zu vernünftigen Preisen produzieren kann. So vermeiden wir den Import von Soja, für das Regenwald abgeholzt werden muss. Die Schweiz kann sich Bio-Produkte aus dem Ausland leisten. Aber damit nehmen wir der Bevölkerung Land weg, das sie für die eigene Ernährung braucht.
Sie bieten Studienaufenthalte für Fachmittelschulen und Schulklassen. Was ist Ihre Motivation?
Die jungen Leute sollen erleben, was es heisst, Nahrung zu produzieren. Information ist gut, Erlebnis ist besser – mit allen Sinnen. Wir wollen zwischen der Landwirtschaft, den Verarbeitern der Produkte und den Konsumenten vermitteln. Heute wird zum Beispiel die Hälfte der Schlachttiere entsorgt: Kopf, Magen, Knochen. Dabei könnte man tierisches Eiweiss als wertvolles Tierfutter einsetzen, einfach nicht bei der gleichen Art.
Ihr Spezialgebiet sind die Bienen. Wie steht es damit in der Schweiz?
Es gibt eher zu viele Imker, ich werbe deshalb nicht dafür. Aber auch hier regelt die Natur die Bienenpopulation. Gibt es zu viele, verbreiten sich Krankheitserreger. Wie bei anderen Insekten sind Schwankungen normal.
«Behandelt einander so, wie ihr selbst behandelt werden möchtet» – diese Aufforderung von Jesus (die Bibel, Lukas-Evangelium, Kapitel 6, Vers 31) ist Ihnen wichtig.
Das ist richtig. Die Welt braucht keine Besser-Wisser, sondern Besser-Könner. Für mich zählt nicht das Reden, sondern das Tun. Man kann verschiedener Meinung sein und sich im Handeln trotzdem ideal ergänzen – ganz nach dem Motto «Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort, dort treffen wir uns!»
Herr Oppliger, herzlichen Dank für das Gespräch!